Aktuelle Judikatur
Seit dem Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes am 01.01.2017 hat sich die Rechtslage erheblich geändert. Vieles ist in den einzelnen Bestimmungen noch ungeklärt und muss erst durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs definiert werden. Hier finden Sie die aktuellen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum Bereich Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren. Durch Klicken auf die jeweilige Geschäftszahl werden Sie automatisch zum Volltext weitergeleitet.
- 2Ob209/24k: Die Eigentumswohnung in der Verlassenschaft kann so manches Kopfzerbrechen bereiten, da für den Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens eine Einigung über deren weiteres Schicksal erforderlich ist, wenn mehr als zwei Erben vorhanden sind. Nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes ist es nämlich auch im Ablebensfall nicht zulässig, dass mehr als zwei natürliche Personen die Wohnung erhalten. Ist eine Einigung nicht möglich, so kann noch eine juristische Personengesellschaft gegründet werden, welche die Anteile an der Wohnung übernimmt, oder aber es kommt zu einer gerichtlichen Zwangsversteigerung der Wohnung.
In dem hier vorliegenden Fall hat der Oberste Gerichtshof eine weitere Möglichkeit für den Fall aufgezeigt, dass diese Wohnung letztwillig vermacht wurde. Grundsätzlich ist es nämlich dem Verlassenschaftsgericht verwehrt, über die Ausfolgung eines Vermächtnisses zu entscheiden, wenn keine Einigung besteht. Dies hat im streitigen Zivilverfahren zu erfolgen.
Wenn jedoch eine Einigung über die Wohnung zu erzielen ist, um die Verlassenschaft beenden zu können und bezüglich dieser Wohnung ein Vermächtnis angeordnet wurde, dann hat das Verlassenschaftsgericht der berechtigten Person eine Frist zu setzen, in der die Klage auf Ausfolgung des Vermächtnisses einzubringen ist. Wird diese Klage fristgerecht eingebracht, so ist das Verlassenschaftsverfahren zu unterbrechen, bis eine Entscheidung über das Vermächtnis vorliegt. - 2Ob4/25i: Nach österreichischem Erbrecht ist der Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens auf mehrere Arten möglich, allen voran durch Einantwortung an die Erben. Es gibt aber auch die Möglichkeit, das hinterlassene Vermögen einem Gläubiger an Zahlungs statt zu überlassen, wenn der Nachlass überschuldet ist. Dieser erhält dann die alleinige Verfügungsbefugnis über die Aktivwerte, muss dafür aber die vom Verstorbenen hinterlassenen Verbindlichkeiten (aliquot) bedienen.
Doch was gilt, wenn jemand offiziell Erbe werden möchte, der Nachlass aber an Zahlungs statt überlassen wurde? In der aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass man trotz der Überlassung Erbe werden und die Einantwortung beantragen kann, Voraussetzung ist jedoch, dass nachträglich weiteres Vermögen aufgefunden wird. Andernfalls kann das Verlassenschaftsverfahren nicht fortgesetzt und mit der Einantwortung vorgegangen werden.
Im Hinblick auf diese Entscheidung wird es künftig noch wichtiger sein, sich im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens von Beginn an aktiv einzubringen, da es nach der Überlassung an Zahlungs statt kaum mehr möglich sein wird, die im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens bestehenden Rechte (z.B. die Einholung von Bankauskünften) auszuüben. Insbesondere die Durchsetzung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen wird durch diese Entscheidung künftig erschwert, da man die erforderlichen Nachweise für die Ansprüche zum Teil nicht mehr erhalten wird.
Ein Hoffnungsschimmer verbleibt jedoch: sollte man nicht sofort die erforderlichen Bescheinigungsmittel für die Fortsetzung des Verfahrens beibringen können, hindert eine Zurückweisung des Fortsetzungsantrages nicht daran, einen neuerlichen Antrag zu stellen, sobald man die erforderlichen Nachweise hat. - 2Ob8/25b: Bereits in einer früheren Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch bei der unentgeltlichen Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben unter Lebenden das Anerbengesetz analog anzuwenden ist, um die Frage beurteilen zu können, ob ein Erbhof vorliegt und in der Folge dessen Wert mit dem Übernahmspreis festzustellen hat.In der nunmehrigen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof klarstellend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Erbhof nicht im Übertragungszeitpunkt, sondern im Todeszeitpunkt erfüllt sein müssen.
- 2Ob203/24b: Schon von Gesetzes wegen kommt den Erben, die ihr Erbrecht hinreichend ausgewiesen haben, das Recht zu, den Nachlass zu verwalten, zu vertreten und zu benützen. Sobald Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass vorliegen, ist eine Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts nur mehr für den Fall erforderlich, wenn es zu einer Veräußerung von Nachlassvermögen kommen soll und die Art der Veräußerung eine Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs darstellt.
In der gegenständlichen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass die bloße Umbuchung von Guthaben auf Konten und Sparbüchern auf ein Konto, das dem Zugriff des Erbansprechers entzogen ist, eine schlichte Verwaltungshandlung darstellt und daher keiner Genehmigung bedarf.
Der Verkauf von Wertpapieren stellt in der Regel eine "ordentliche" Veräußerungsart dar und bedarf daher keiner Genehmigung. Sollte es hingegen eine "außerordentliche" Verwaltungsmaßnahme sein, so wäre das einzige Beurteilungskriterium für eine Genehmigung, dass der Verkauf für die Verlassenschaft nicht offenbar von Nachteil ist.
- 2Ob33/25d: Seit dem Inkrafttreten der Erbrechtsnovelle am 01.01.2017 gibt es ein gesetzlich zustehendes Pflegevermächtnis für nahe Angehörige, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt. Viele Fragen sind in diesem Zusammenhang nach wie vor ungeklärt. Mit dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof hinsichtlich der davon umfassten Leistungen nunmehr eine weitere Klarstellung getroffen.
Pflege im Sinne des Pflegevermächtnisses sind demnach sämtliche Unterstützungsleistungen - auch nicht medizinischer Natur - die objektiv erforderlich sind und an deren alleiniger Ausübung der Erblasser auf Grund seiner Pflegebedürftigkeit verhindert war.
Werden diese Voraussetzungen erfüllt, dann können auch psychische Unterstützungsleistungen unter den Begriff der Pflege fallen. Klarstellend hat der Oberste Gerichtshof nunmehr ausgeführt, dass ein bloßer Besuch in einem Pflegeheim diesen Ansprüchen nicht genügt. Hingegen können Spaziergänge, Telefonate und Organisationstätigkeiten im Einzelfall Pflegeleistungen darstellen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind und dadurch die Möglichkeit verbessert wird, ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben zu führen. - 2Ob222/24x: Insbesondere im Pflichtteilsrecht sind Schenkungen, die zu Lebzeiten erfolgt sind, von besonderer Bedeutung, da diese Schenkungen die Höhe des Pflichtteils beeinflussen können. Um Kenntnis über die Schenkungen zu erhalten, sieht das Gesetz grundsätzlich einen umfassenden Auskunftsanspruch vor, der den Pflichtteilsberechtigten dazu in die Lage versetzen soll, seine Geldansprüche beziffern zu können. Fraglich war bisher, wie eine solche Auskunftserteilung zu erfolgen hat und ob dem Auskunftsberechtigten ein Fragerecht zukommt.
In der gegenständlichen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof nunmehr ausgeführt, dass eine Auskunftserteilung die Einbeziehung eines Gerichts nicht erfordert, sondern die Auskunft durch eine entsprechende (im Regelfall schriftliche) außergerichtliche Mitteilung des Schuldners zu erfolgen hat.
Ein konkretes Fragerecht kommt dem Auskunftsberechtigten aber nicht zu. Dieser kann, wenn er den Auskunftsanspruch als nicht erfüllt ansehen sollte, lediglich den Auskunftsanspruch im exekutiven Weg betreiben, was einen Exekutionstitel voraussetzt (z.B. Gerichtsurteil voraussetzt). Andernfalls müsste eine Klage auf Auskunftserteilung erhoben werden, die dann auf eine Überprüfung hinausläuft, ob eine formell vollständige Auskunft vorliegt.
Diese Entscheidung ist jedenfalls kritisch zu sehen, da hierdurch der Auskunftsanspruch vollständig ausgehöhlt werden könnte. Wenn nämlich erklärt werden sollte, dass überhaupt keine Schenkungen erfolgt sind, dann kann mE auch keine weitere Auskunftserteilung hinsichtlich von Schenkungen mehr erzwungen werden. Denn mehr als anzugeben, keine Schenkungen erhalten zu haben, kann wohl nicht erwartet werden, um eine formell vollständige Auskunft zu erteilen.
- 2Ob108/24g: Sind an einem Verlassenschaftsverfahren pflegebefohlene Personen (also minderjährige Kinder oder unter Erwachsenenvertretung stehende Personen) beteiligt und kommt diesen ein anderer Anspruch als das Erbe an sich zu, so sind deren Ansprüche sicherzustellen, bevor das Verfahren abgeschlossen werden kann. Doch was gilt, wenn es zu Lebzeiten Schenkungen gab, die den Pflichtteil des Pflegebefohlenen erhöhen?
In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Position Pflegebefohlener gestärkt uns ausgesprochen, dass auch jene Pflichtteilsansprüche bis zum Wert des Nachlasses sichergestellt werden müssen, die sich auf Grund von Schenkungen ergeben. Dabei haben diese zusätzlichen Ansprüche nur hinreichend bescheinigt zu werden. Eine abschließende Entscheidung zur tatsächlichen Höhe des Pflichtteils erfolgt dadurch aber nicht. - 2Ob248/23v: Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt ausgesprochen, dass bei der Berücksichtigung von Schenkungen bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen auch ein Schenkungswille nachgewiesen werden muss. Diese Schenkungsabsicht ist festzustellen und trifft die Beweispflicht den Pflichtteilsberechtigten. Dass diese Beweispflicht den Pflichtteilsberechtigten vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt, hat der Oberste Gerichtshof nunmehr erkannt und ausgesprochen, dass ein "krasses" Wertmissverhältnis den Anschein erweckt (= Anscheinsbeweis), dass die Übertragung zumindest teilweise mit Schenkungsabsicht erfolgte. Es obliegt daher dem Geschenknehmer zu beweisen, dass es im gegenständlichen Fall zu einem anderen Geschehensablauf gekommen ist, als der durch das Wertmissverhältnis bestehende Anschein annehmen lässt.
- 2Ob60/24y: Die Unterschrift in einem Testament hat grundsätzlich am Ende des Textes zu stehen oder zumindest einen räumlichen Zusammenhang aufzuweisen, damit das Testament wirksam ist. Der Oberste Gerichthof hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt sein kann, wenn der Erblasser aus platztechnischen Gründen am Ende des Textes ein Verweisungszeichen (%-Zeichen) anbringt und die Unterschrift bei dem zweiten Verweisungszeichen an anderer Stelle setzt.
- 2Ob165/24i: Sind an einem Verlassenschaftsverfahren schutzberechtigte Personen (z.B. Minderjährige) beteiligt, sind deren Ansprüche vor Einantwortung sicherzustellen, wenn sie nicht bereits erfüllt wurden und es sich nicht um Ansprüche als Erbe handelt. Doch wie hat dies nun genau zu erfolgen? Der Oberste Gerichtshof stellt in dieser Entscheidung klar, dass auch der zuständige Gerichtskommissär den Erben eine Frist setzen kann, innerhalb dieser die Sicherheit zu leisten haben. Diese Frist wird durch ein E-Mail nicht ausgelöst. Welche konkrete Sicherungsmaßnahme getroffen wird, bleibt den Erben vorbehalten, eine Aufforderung zu einer konkreten Sicherheitsleistung ist unbeachtlich. Der Gerichtskommissär hat aber die unvertretenen Erben entsprechend aufzuklären und anzuleiten.
- 2Ob169/24b: Seit Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 können nahe Angehörige, die den Verstorbenen innerhalb der letzten 3 Jahre vor dem Ableben umfassend gepflegt haben, ein Pflegevermächtnis geltend machen. In der aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass jeder Erbe zu dem Pflegevermächtnis nur den Betrag zu leisten hat, welcher seiner Erbquote entspricht.